Lesezeit: Circa 8 aufrechte Minuten
Im Durchschnitt sitzen wir Deutschen 11,5 Stunden pro Tag [1]. Und da wir in unserem Alltag mit genug Stress konfrontiert sind und unsere Köpfe sowieso schon zu voll sind, denken wir meist nicht daran, ökonomisch mit aufrechtem Rücken zu sitzen oder zwischendurch Bewegungspausen einzulegen. Dies führt neben Schmerzen dazu, dass wir langsam aber sicher die Fähigkeit verlieren, unseren Körper und Rücken aufrechtzuhalten oder unsere Schultern nach hinten zu nehmen.
Wieso es so wichtig ist, unsere langen Sitzzeiten im Rücken-Training zu berücksichtigen, wie du mit ein paar einfachen Übungen künftig auch deinen Alltag mit aufrechter und stolzer Haltung meisterst und wie sich eine gesunde Haltung positiv auf deine Psyche auswirkt - all das erfährst du in diesem Blogbeitrag.
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Auch wenn der Glöckner von Notre Dame natürlich ein überzogenes Beispiel ist, verbildlicht er doch recht gut die Tendenz, der wir uns annähern. Vielen Menschen fällt es schwer, in natürlichen Alltagssituationen, wie dem Gehen, Stehen oder Sitzen, eine anstrengungslos aufrechte Haltung einzunehmen. Von den daraus resultierenden Rückenschmerzen und Verspannungen mal ganz abgesehen. Um dem runden Rücken und seinen Auswirkungen entgegenzuwirken, müssen wir im Training einige Regeln befolgen. Hierzu muss uns zunächst klar sein, welche Muskeln unseres Rumpfes durch regelmäßiges, langes Sitzen „verkürzen“ oder "verkümmern" und welche demnach "aufgedehnt" oder trainiert werden müssen.
1. Sitzen wir regelmäßig mit krummem Rücken mit auf dem Schreibtisch abgelegten Armen, halten wir unsere vordere Rumpfmuskulatur - vorwiegend unsere Brust - in einer Position, in der sie nicht ihre volle Länge ausschöpft. Anders als in einer aufrechten Sitzposition, zieht sich unsere Brustmuskulatur zusammen. Wir sprechen von einer funktionellen Verkürzung.
2. Anders ergeht es unserer oberen Rückenmuskulatur. Diese müssen wir im Sitzen so gut wie nicht aktivieren. Sitzen wir demnach mehrere Stunden am Stück an vielen Tagen die Woche, passiert das mit ihr, was mit allen Muskeln unseres Körpers passiert, wenn wir sie nicht nutzen: Sie verkümmern. Hinzukommt, dass unsere hintere Rumpfmuskulatur der direkte Gegenspieler der vorderen Rumpfmuskulatur ist (wir sprechen hier von Agonisten und Antagonisten). Verkürzt Partner A (der Agonist), wird Partner B (Antagonist) in die Länge gezogen und kann auf lange Dauer erschlaffen. Bildlich kannst du dir das Agonisten-Antagonisten-Prinzip wie bei einem Katzenbuckel vorstellen. Zieht die Katze ihren Bauch zusammen, wird ihre Rückenmuskulatur gespannt. Sitzen wir also lange mit rundem Rücken, zieht sich unsere Brustmuskulatur zusammen und dehnt damit auch unsere obere Rückenmuskulatur in die Länge. Unseren Rücken sollten wir daher im Training mit kräftigenden Übungen aufrichten und unterstützen.
Kurz zusammengefasst entstehen bei langen Sitzzeiten muskuläre Dysbalancen (Ungleichgewichte) in unserem Rumpf, denen im Training entgegengewirkt werden muss. Unsere Brustmuskulatur neigt zu funktioneller Verkürzung und sollte regelmäßig aufgedehnt werden. Unser oberer Rücken hingegen zeigt oft Schwäche und braucht daher Kräftigung. [Gleiches Prinzip gilt übrigens für unsere unteren Extremitäten. Mehr hierzu erfährst du kurz und knapp am Ende dieses Blogbeitrags.]
Wie bereits beschrieben, ist es wichtig, unser Training nicht nur auf unsere Ziele (z.B. Kraftzuwachs), sondern auch auf unseren Alltagskontext abzustimmen. Wenn wir viel und lange sitzen, müssen wir im Training darauf achten, wahrscheinlich entstandene muskuläre Dysbalancen auszugleichen.
In unseren Bootcamps arbeiten wir daher mit sieben Stationen, von denen immer mindestens eine eine Pull-Übung, das heißt eine Zug-Übung, darstellt. Denn um den Rücken zu kräftigen und unsere Brust aufzudehnen, brauchen wir Zugmuster, die uns zur Öffnung unseres Brustkorbes zwingen.
So gut wie allen Zugmustern gemein sind die folgenden Hinweise, die bei der Durchführung beachtet werden sollten:
- der Po ist fest angespannt („Nuss knacken“)
- der Bauchnabel zieht Richtung Wirbelsäule („Verringere den Abstand zwischen deiner Brust und dem Hosenbund“)
- die Schulterblätter werden nach hinten-unten zusammengezogen („Schultern weg von den Ohren“)
- die Rippen sollen (bildlich) nach außen gedrückt werden: stolze Brust („Zeig mir deine Goldmedaille“)
- die Wirbelsäule ist in einer neutralen Position („Deine Wirbelsäule soll den Besenstiel in deinem Rücken stets berühren“)
Damit wir dem Glöckner in uns vorbeugen, bzw. ihn aus dem Kirchturm unseres Körpers vertreiben, kommen hier:
1. Latzug am Boden
Drücke die Ellenbogen in den Boden, hebe so deinen Oberkörper an und ziehe deine Schulterblätter zusammen. Der Po ist angespannt, dein Brustkorb sollte jetzt weit geöffnet sein. Das Ganze sieht wie eine Ruder-Zugbewegung aus. Achte darauf, deine Bauchmuskulatur zu entspannen, die Kraft kommt allein aus dem Druck der Ellenbogen und der Haltekraft des Rückens. Der Kopf bleibt in Verlängerung des Rückens/ der Wirbelsäule.
2. Tube Pull
Was du in diesem Video als Tube siehst (das orangene Band mit den schwarzen Griffen), kannst du ganz einfach durch ein Theraband ersetzen. Dieses kannst du an eine Türklinke oder ein Tischbein mittig knoten (achte bei der Türklinke darauf, dass du das Theraband von den Türangeln wegziehst, damit es nicht von der Klinke rutschen kann). In der Ausgangsposition solltest du Hüfte und Knie leicht gebeugt halten. Und auch hier gilt wieder: Po fest, Brustkorb auf, Schulterblätter zusammen, Schultern runter.
3. Tube I, Y, T Pull
Auch in dieser Übung kannst du das Tube wieder durch ein Theraband ersetzen. In der Ausgangsstellung sind Knie und Hüfte leicht gebeugt, die Daumen zeigen in der Ausgangsstellung nach innen und in der Endposition nach außen (die Außenrotation der Hände hilft dir dabei, deine Schulterblätter nach hinten/unten zu ziehen). Die Arme werden gestreckt in die “I”, “Y” und “T” Position gezogen
Kein Theraband Zuhause? Kein Problem! Die I, Y, T Übung kannst du auch in Bauchlage am Boden ausführen. Nur hier ist es mehr eine Y, T, W Ausführung:
Der Y, T, W Pull
Achtest du auf eine aufrechte Körperhaltung, beeinflusst dies nicht nur deine Muskelstrukturen positiv. Auch deine Psyche und deine innere Einstellung schneidet sich eine große Scheibe des Vorteilskuchens ab. Denn mittlerweile wurde vielfach belegt, dass sich die Körperhaltung auf unsere Gedanken und unsere Einstellungen bestimmten Aufgaben oder langfristig dem Leben allgemein gegenüber auswirkt. Sitzen wir in einer zusammengekauerten Positionmit rundem Rücken, fühlen wir uns schwach und weniger leistungsstark. Hürden kommen uns größer und schwieriger vor und das überträgt sich auf unser Selbstbewusstsein. Wir werden unsicher [2, 3]. Eine aufrechte, stolze Haltung und ein gerader Rücken hingegen bewirken genau das Gegenteil: Wir werden entspannter, selbstsicherer und zuversichtlicher [2, 3].
Wenn wir in unserem Alltag also übermäßig lange mit gekrümmtem Rücken auf unserem Schreibtischstuhl sitzen, fühlen wir uns nicht nur auf der Arbeit schlechter, sondern gehen auch mit einem negativen Gefühl in den Feierabend. Wenn wir hingegen eine aufrechte Hercules-Haltung bewahren, können wir Alltagsprobleme selbstsicher und zuversichtlich entgegentreten [4]. Denn über eine hohe Mauer können wir auch nur schauen, wenn wir uns großmachen! :)
Du siehst, wie wichtig es ist, im Alltag Haltung zu bewahren. Übungen mit Zugmuster stärken dir nicht nur den Rücken, sondern helfen dir langfristig den Glöckner in seinen Glockenturm zu sperren und dem Rundrücken eins auszuwischen. Du kannst Rückenschmerzen und Verspannungen lindern oder sogar verhindern und du fühlst dich auch innerlich besser.
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Literatur:
[1] http://www.zeit.de/karriere/beruf/2012-10/sitzen-g...
[2] Kjellrup, M., de Toja, M. & Hollmann, W. (2008). Bewegung und Haltung - Der erste Schritt im AIItag.
[3] Bijak, M. (2003). Einfluss der Haltung auf Soma und Psyche–Der Zusammenhang von Akupunkturpunkten und Körperhaltung im Qigong. Deutsche Zeitschrift für Akupunktur, 46(4), 26-28.
[4] Michalak, J., Rohde, K., & Troje, N. F. (2015). How we walk affects what we remember: Gait modifications through biofeedback change negative affective memory bias. Journal of behavior therapy and experimental psychiatry, 46, 121-125.
[5] Bildrechte Snoopy Comic: https://goo.gl/images/n9aj6R
Infos zu muskulären Dysbalancen bezüglich der unteren Extremitäten im Überlick:
Im Sitzen halten wir unseren Hüftbeuger (dieser liegt an der Hüftinnenseite und beugt die Hüfte über einen Zug am Oberschenkel) weitgehend im 90° Winkel. Bei unökonomischen Schreibtischstühlen ist dieser Winkel manchmal sogar noch kleiner. Insgesamt halten wir auch unseren Iliopsoas - den Hüftbeuger - dadurch in einer Position, in der die eigentliche Länge des Muskels nicht auf ihre Kosten kommt. Der Hüftbeuger verkürzt funktionell.
Mit unserem Gesäß hingegen passiert quasi genau das Gegenteil. Dieses brauchen wir beim Sitzen schlichtweg nicht. Sitzen wir demnach regelmäßig zu lange, baut unser Körper die Muskulatur unter unseren Hosentaschen ab. Insgesamt sollte der Hüftbeuger also aufgedehnt und das Gesäß gekräftigt werden. Möglichkeiten hierzu erfährst du in unseren Artikeln über Movement Preps und die Kniebeuge.
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